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16.04.2013 00:00

Plötzlich ist man nicht mehr alleine!

Deutschunterricht ist Arbeit an mehr oder weniger toten Texten – dies ist die landläufige Meinung und Erfahrung von Jung und Alt nach einigen Jahren Schule. Die Deutschlehrer an der Kaufmannsschule Krefeld bemühen sich seit Jahren, dieses Klischee in ihrem Deutschunterricht zu durchbrechen. Deswegen versuchen sie, den Schülern die Lebendigkeit von Literatur in unterschiedlichster Art zu vermitteln. Dramatische Texte und deren Behandlung bieten dazu eine perfekte Möglichkeit, da sie dazu geschaffen sind, auf der Bühne lebendig zu werden. So wählen die Kollegen in den Bildungsgängen, die an unserer Schule zur Fachhochschulreife führen, immer wieder Dramen aus, die aktuelle Probleme, Themen aus der Lebenswelt der Schüler oder allgemeine Menschheitsfragen aufgreifen und dabei literarische Bedeutung besitzen. Im Schuljahr 2012/13 fiel die Wahl auf das Stück „Mutter Courage und ihre Kinder“ von Bertolt Brecht, welches das leider immer noch aktuelle Thema Krieg und moralische Verantwortung aufgreift. Die Auswahl eins Stückes für den Unterricht ist aber auch von einer weiteren Entscheidung abhängig: Theater auf der Bühne erleben können. Unser Kollege Friedhelm Schulte konnte zu diesem Zweck zunächst einen Videomitschnitt der Inszenierung des Stückes durch den Intendant des Berliner Ensembles, Claus Peymann, von dem weltbekannten Theater aus der Hauptstadt leihweise erhalten. Doch er ging noch weiter und konnte durch Beharrlichkeit den wohl bekanntesten deutschen Theatermacher an unsere Schule holen, um am 12. März 2013 230 Schülerinnen und Schüler die Faszination des Theaters zu offenbaren. Den Schülern bot sich die Möglichkeit, die im Unterricht entstandenen Fragen zu Theater, Theatermachern, Theatermachen und Theaterstück an Claus Peymann heranzutragen. Der 75jährige ließ sich auf die Wissbegier unserer Schüler aus der Höheren Handelsschule, den Fremdsprachenassistenten und dem Wirtschaftsgymnasium ein und eröffnete den Schülern die bunte Welt des Theaters und gab einen Einblick in sein an Theater- und Lebenserfahrungen reiches Leben. Von beiden Seiten war zwar zu merken, dass es einen Altersunterschied mehrerer Generationen gibt, doch stellte sich im Laufe des Vormittags eine gewisse Nähe her, die durch das Theater und seinen Macher ausgelöst wurde. Sein Plädoyer für die Bedeutung des Theaters brachte Peymann in einem kurzen Satz auf eine prägnante Formel: „Plötzlich ist man nicht mehr alleine!“ – Theater stiftet also Gemeinschaft zwischen Menschen verschiedener Gesellschaftsgruppen und übernimmt in seiner Sicht dadurch eine wichtige politische Aufgabe, die darin gipfele, den Mächtigen die Larve vom Gesicht zu reißen und Solidarität mit den Entrechteten, Unterdrückten und Vergessenen einer Gesellschaft zu spüren.

Für Peymann gilt der Satz „Theater ist geiler als Disco“ – und für 120 Minuten schien es so, als ob auch gut zweihundert junge Menschen diese Meinung teilten und ihm ohne Vorbehalte ihr Gehör und ihre Aufmerksamkeit schenkten. Er äußerte die Hoffnung, die die Deutschlehrer der Kaufmannsschule teilen, dass zumindest einige Menschen seines jungen Publikums den Weg ins Theater finden werden – vielleicht auch nach Berlin in sein Theater, um das magische Gefühl des Theaters vor Ort, im Zuschauerraum zu spüren. Die Kaufmannsschule bedankt sich bei Claus Peymann, dass er uns bei unserem Bemühen unterstützt hat, Deutschunterricht spürbar lebendig zu machen.

Claus Peymann in Aktion vor den Schülerinnen und Schülern der Kaufmannsschule